Glory Days of Rock’n’Roll (2024)

Sein Leben selbstbestimmt und frei führen zu können, das war ihm immer wichtig gewesen. Zwischendurch klingt es ein bisschen wie eine Lebensbilanz, wenn Günther Sigl erzählt. Mittlerweile ist der Musiker 77, da kann man schon mal ein bisschen zurückschauen. Das tut er auch, er hat ja so Einiges erlebt.

Im Gröbenzeller Stockwerk ist Sigl als Solokünstler und natürlich mit seiner Spider Murphy Gang immer wieder zu Gast, auch in diesem Sommer. Am 19. Juli spielt die Band dort ein Akustikkonzert unter freiem Himmel, jetzt kam Sigl zu einem Talk. Ein Format, das es so noch nicht gab. Eingeladen hat ihn Thomas Breitenfellner, der seit 17 Jahren Kulturveranstaltungen im Stockwerk organisiert. Und er hat ihn an diesem Abend gleich selbst interviewt.

Günther Sigl – schwarze Jeans, kariertes Hemd – hat viele Geschichten von damals auf Lager. Auch für Thomas Breitenfellner dürften viele davon neu sein. Als der wohl berühmteste Song der Band, „Skandal im Sperrbezirk“, 1982 Nummer eins der deutschen Single-Charts war, wurde Breitenfellner gerade erst geboren. Sigls Musikerkarriere ist lang und wer sich den Nimbus des ewigen Rock’n’Rollers mal zugelegt hat, wird ihn auch nicht mehr los und will das auch gar nicht. Zumal Sigl immer noch auf Tour geht: „Ich freue mich auf jeden Gig. Das ist kein Job, das ist Erfüllung.“ Die Konzertauftritte geben ihm Kraft: „Man darf nicht daheim sitzenbleiben.“ Auch nicht im Alter von 77 – das darf man sich dazu denken.

Etwa 80 Leute sind ins Stockwerk gekommen, um zu hören, was dieser Rock’n’Roller aus Oberbayern – Sigl stammt aus Schongau – zu sagen hat. Auf einmal entdeckt Sigl den „Richard aus Bamberg“ in der ersten Reihe, den er noch von damals kennt, und später „die Elke, die bei uns jahrelang das Merchandising gemacht hat“. Ehemalige Weggefährten und Fans sind gekommen, die meisten durchaus in einem Alter, das darauf hindeutet, den Höhenflug der Spider Murphy Gang in den Achtzigerjahren aktiv begleitet zu haben.

Natürlich hat Sigl auch seine Gitarre dabei und gibt ein paar Songs oder Auszüge davon zum Besten: „Mit’m Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia“, „Schickeria“, „Sommer in der Stadt“ (mit der legendären Textzeile „I renn nackert durch’n Englischen Garten“) und den „Skandal im Sperrbezirk“, der zunächst tatsächlich ein bisschen ein Skandal war und bei manchen Radiostationen erst einmal auf dem Index landete. Und auch weil es unter der eigentlich fiktiven Telefonnummer 32 16 8 im realen Leben so viele Anrufe gab, dass die Betroffenen von Telefonterror sprechen konnten. Die Band versuchte den Schaden irgendwie gut zu machen und bezahlte die Änderungen der Rufnummern oder verschickte Blumensträuße als Geste guten Willens.

Zweieinhalb Stunden lang erzählt Sigl aus seinem Leben. Auch Privates: Dass er seinen Job in einer Bank für die Musik aufgegeben hat. Dass er Anfang der Achtziger, als die Karriere richtig Fahrt aufnahm, Vater eines Sohnes und einer Tochter geworden ist. Dass er seit vorigem September zum zweiten Mal verheiratet ist – mit seiner Doris, mit der er schon Jahrzehnte zusammen ist. Und auch, dass er jeden Morgen mit einem Cappuccino und der Tageszeitung („die Süddeutsche“) in den Tag startet.

„Die beste Droge ist ein klarer Kopf.“ Für den Satz gibt es Applaus

Wie er es anstelle, immer noch mehrstündige Konzerte durchzustehen, will Moderator Breitenfellner wissen. Die Antwort: „Nicht saufen, nicht rauchen und Sex in Maßen“. Günther Sigl klingt nicht wie der Rockstar, der ein allzu ausschweifendes Leben geführt hätte. Gut, drei Alkoholexzesse in Jugendjahren, aber das war’s: „Danach habe ich rigoros nie mehr getrunken. Die beste Droge ist ein klarer Kopf.“ Dafür gibt es Applaus. Auf dem Tisch steht Apfelschorle, die trinkt er am liebsten. Breitenfellner erzählt, dass er Sigl mal einen Träger davon hat liefern lassen. Und was machte der? Brachte Monate später das Leergut zurück.

Bodenständig ist er halt geblieben, trotz des großen Erfolgs mit der Spider Murphy Gang. Der damals erfolgreichen Neuen Deutschen Welle wurde die Band bisweilen zugerechnet, ihre Rhythmen sind Rock’n’Roll, ihre Texte bairisch. Sigl hat sie selbst geschrieben. Erst stand stets der Wortlaut, dann hat er ihn mit Akkorden unterlegt. Es seien keine Fantasietexte gewesen, sagt er, grinst und nennt als Beispiel die Songzeile „Der Reißverschluss bleibt zua.“ Themen, wie sie das Leben halt so schreibt.

Thomas Breitenfellner muss gar nicht viel fragen, Sigl redet und redet. Ein bisschen wird der Musiker dann auch politisch („Dass immer so auf die Grünen drauf gehauen wird, versteh’ ich nicht“), warnt vor falschen politischen Versprechen („Wehret den Anfängen!“) und leistet auch ein bisschen Abbitte bei der CSU: „Die müssen in Bayern doch nicht alles verkehrt gemacht haben“. Und dann greift der Mann, der rundum zufrieden zu sein scheint mit sich und seinem Leben, nochmal für ein kleines Medley zur Gitarre: „Marina“ (Rocco Granata), „Rock’n’Roll Music“ (Chuck Berry), „That’s allright, Mama“ (Elvis Presleys erster Hit) und schließlich „Glory Days of Rock’n’Roll“. So heißt ein Songtitel und ein Dokumentarfilm über die Spider Murphy Gang. Es klingt wie Günther Sigls Lebensmotto.

Stockwerk Sommer mit der Spider Murphy Gang (19. Juli), Harry G (18. Juli), Max Uthoff (20. Juli) und Wolfgang Krebs (21. Juli). Beginn jeweils 20.30 Uhr auf dem Stockwerk-Gelände in Gröbenzell. Tickets unter www.kultur-ticketshop.de

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